Clean up

Wie alles begann

In drei wunderbaren Monaten, die wir um die Welt gereist sind, habe ich so viel Schönes gesehen und erlebt! Endlose Strände und schroffe Klippen, schnaubende Wale und akrobatische Delfine, spiegelglatte Seen und rauschende Flüsse. Oft stand ich ehrfürchtig und staunend vor den Schönheiten der Natur und genoss es geradezu, mich winzig und unbedeutend zu fühlen. Doch immer wieder gab es auch Momente, die wir am liebsten ausgeblendet hätten. Wenn wir zwischen angeschwemmten, zerfallenden Golfbällen, leeren Duschgelflaschen, Kanistern, Feuerzeugen und Leuchtstoffröhren am Strand entlangschlenderten und angespülte Fischernetze unseren Weg säumten, konnte ich meinen Augen manchmal kaum trauen. Wo kam denn nur der ganze Müll her?

An einem Nachmittag fanden wir an einem Strand auf Kauai, der ältesten Hawaii Insel, ein riesiges Knäuel aus Tauen, Netzen und Plastikschnüren, das wohl vom Wasser angespült worden war. Damit es nicht bei der nächsten Flut wieder zurück ins Meer gezogen würde und sich Schildkröten, Seehunde oder Delfine darin verfingen, wollten wir es zumindest so weit wie möglich den Strand hinauf vom Ufer wegziehen. Doch zu unserem Erstaunen war es nicht nur selbst unglaublich schwer, sondern anscheinend auch noch so tief in den nassen Sand eingegraben, dass wir es keinen Zentimeter bewegen konnten. Ratlos standen wir vor diesem Müllhaufen – immer wieder versuchte ich hier und da daran zu zerren, doch es war vergebens. Nur ein kleines Stück türkisfarbene Plastikschnur, das sich gelöst hatte,  konnte ich herausziehen. Es war nicht viel, was ich in diesem Moment bewirken konnte, aber zumindest dieses kleine Stück Plastik würde nicht zurück ins Meer gespült werden und dort zu gefährlichem Mikroplastik zerfallen. Ich steckte die Schnur in meine Tasche und lötete sie am Abend mit einem Feuerzeug um mein Handgelenk. Seitdem ist es mein ständiger Begleiter und erinnert mich immer wieder an diesen Moment, an dem ich dem Fischernetz am Strand so machtlos gegenüberstand. Ein Moment, in dem ich mich schämte, dass wir Menschen uns herausnehmen, so respektlos und achtlos mit den Ozeanen und unserem Planeten umzugehen.

Ein stilles Versprechen

Der Gedanke an dieses Netz und die Strände, die durchsetzt mit winzigen, bunten Plastikscherben und manchmal übersät von leeren Flaschen, Zahnbürsten oder Strohhalmen waren, lassen mich auch zurück zu Hause nicht los. Oft streiche ich über die blaue Plastikschnur an meinem Handgelenk und denke an die schäumenden Wellen und das kühle Wasser, wie es um meine Knöcheln gluckste. Ich denke daran, wie ich auf dem Surfbrett stehend die Kraft des Meeres spürte, wie sie mich voranschob, und wie mich so oft das Rauschen der Wellen in den Schlaf gewiegt hatte. Fast fühlt es sich so an, als hätte ich in der Zeit, die ich mit den Füßen im Wasser, bei Wanderungen an den Küsten, in verlassenen Buchten schwimmend, an den Ufern sitzend und die Hände durch den warmen Sand streichend verbracht habe, dem Meer ein unausgesprochenes Versprechen gegeben. Das Versprechen, nicht weiter tatenlos zuzusehen, wie unser Müll die Ozeane verschmutzt, Tiere bedroht, uns vergiftet und letztendlich unseren gemeinsamen Lebensraum zerstört.

Ich begann viel zu lesen und zu recherchieren – über mutige Projekte, die versuchen, den Plastikmüll aus den Meeren zu filtern, über kleine Gruppen, die Beach Clean ups an den Stränden unserer Erde veranstalten, über Menschen, die sich überall auf der Welt mit ihren Ideen zusammenschließen, um etwas zu bewegen… Ich spürte den Wunsch, auch endlich anzupacken und etwas zu verändern – und somit zu beginnen, mein stilles Versprechen einzulösen.

Mein erstes Clean up

So ging ich zusammen mit Mr. Incognito an einem sonnigen Wochenende in Düsseldorf das erste Mal ganz bewusst hinunter zum Rheinufer, um dort Müll zu sammeln. Ob wir überhaupt etwas finden würden? Wir waren in die erstbeste Bucht hinuntergestapft – vielleicht hatten wir ja Mülltüte und Handschuhe völlig umsonst eingepackt und wir würden gar keinen Müll sehen?

Der erste Blick in die Bucht war tatsächlich idyllisch: ein Kranich stand majestätisch und elegant zwischen den Steinen am Wasser, direkt neben ihm jedoch – was für ein Bild! – wehte eine große Plastikfolie, die sich im Gebüsch verfangen hatte. Später würde ich sehen, dass es sich um eine alte Toilettenpapierverpackung handelte, die der Wind herangetragen hatte und die anschließend wohl im Wasser gelandet wäre. So aber sammelten wir diese ein, zusammen mit zahllosen Plastikschnüren, Netzen, Flaschen, Stohhalmen, Deckeln, Tüten, Joghurtbechern und vielem mehr, was wohl hunderte Jahre im Wasser getrieben hätte, um schließlich zu giftigem Mikroplastik zu zerfallen. Obwohl wir zunächst gedacht hatten, eine relativ saubere Bucht gefunden zu haben, fand sich bei näherer Betrachtung mehr und mehr Müll – mal in Form großer mit Steinen und Schlamm gefüllter Kanister oder sogar einer Strandliege, die halb im Wasser lag, mal in Form kleinster Splitter und bunter Plastikpartikel, die wie ein riesiges, zerstörerisches Mosaik schier überall zu sein schienen.

Nach nur einer Stunde war unser Müllsack gefüllt und wir blickten uns ungläubig um. Wir waren nur zu zweit in einer winzigen Bucht gewesen und allein sich hier aufmerskam umzusehen, hatte gereicht, so vieles zu finden, was nicht nur nicht ins Wasser gehörte, sondern wohl in den Mägen von Seevögeln oder Robben gelandet wäre oder sich als verhängnisvolles Netz um unschuldige Tiere festgezogen hätte, so dass diese womöglich qualvoll verendet wären.

Wir waren euphorisch und sprachlos zugleich – so erschreckend es auch war, all den Müll am Rheinufer zu finden, so schön und stark war auch das Gefühl, etwas dagegen getan zu haben. Nachdem wir den Müll entsorgt und unsere Handschuhe abgestreift hatten, sahen wir uns verschwitzt an und ich wusste, dass wir wohl gerade erst am Anfang einer ganz neuen „Reise“ standen.