Die Sonne ging auf. Golden reflektierten die ersten Sonnenstrahlen in der Glasfassade des Marina Bay Sands, einem der berühmtesten Hotels der Welt. Das sonst so geschäftige Singapur lag noch etwas verschlafen vor mir und nur vereinzelt zogen kleine Boote durch das Spiegelbild der massiven Hochhäuser. Selbst am „Merlion“, dem wasserspeienden Fisch-Löwen und Wahrzeichen der Stadt, waren noch keine Touristen zu sehen.

Unsere Klimaanlage surrte leise, der Wasserkocher war soeben verstummt und gleich würde ich uns den ersten Kaffee am Morgen anrühren, bevor wir zum Frühstücksbuffet hinuntergingen. Es war nun also tatsächlich soweit: Der letzte Tag unserer Reise war angebrochen und mit gemischten Gefühlen blickte ich über die futuristischen Fassaden dieser Hightechstadt, in der wir die letzten Tage verbracht hatten.

Wir waren hier bei strömendem Regen nach einem etwa 6-stündigen Flug aus Perth gelandet und hatten mit dem Flughafenshuttlebus direkt mal gefühlt eine halbe Stadtrundfahrt gemacht. So hatten wir bis zu unserer Ankunft im Hotel schon unzählige wuselige Straßenlokale, blinkende Neonschriftzüge und kleine Geschäfte gesehen, die sich vollgestopft aneinanderdrückten – glitzernd, bunt, schrill… wir waren ganz eindeutig in Asien! Nach dem ganzen Tag auf den Beinen und im Flieger waren wir aber einfach nur froh, als wir endlich die Füße in unserem klimatisierten Zimmer hochlegen und mit einem völlig überteuerten 15-Dollar-Minibar-Bier aus der Dose unsere beeindruckende Aussicht auf die glänzenden Fassaden der Marina Bay genießen konnten.

Die Marina Bay am Abend.
Bei der Lichtshow in der Marina Bay wurden riesige farbige Animationen auf die Wasserfontänen projeziert.
You won´t need a map

Der nächste Morgen begann mit unserem Frühstück, bei dem wir mit dem Stadtplan in der Hand Pläne für den Tag schmieden wollten. „You won´t need a map in here…“ witzelte einer der Angestellten, als er diese sah, während wir uns noch mit unserer Zimmernummer für den Zutritt zum Buffet qualifizierten. So ganz stimmte das allerdings nicht, denn das Buffet, das sich in mehrere Parzellen aufteilte, hatte wirklich alles zu bieten, was man sich vorstellen konnte: Vom puderzuckerbestäubten Mandelcroissant über exotische Brotaufstriche und frische Waffeln bis hin zu Käse, Salaten, Smoothies und Früchten war einfach alles dabei – und da hatten wir noch keinen Blick in die lokale Spezialitätenecke geworfen, wo uns duftender Kokosreis, in Bananenblättern gedämpfte Fischcakes und indische Currys erwarteten. Es war wohl das größte Buffet unserer Reise, auf der wir so oft selbst unser Frühstück gemacht oder auf einen einfachen Supermarkt-Muffin und einen Nescafé im Hotelzimmer zurückgegriffen hatten. Wir fühlten uns verwöhnt!

Nach dem Frühstück spazierten wir einfach los – zunächst über die wie eine DNA geformte Helix-Brücke in Richtung des Marina Bay Sands Hotel und des Artscience Museums, das an eine Lotusblüte erinnerte. Wie oft hatten wir schon Bilder dieser Gebäude gesehen, nun waren wir wirklich hier und fühlten uns, als liefen wir durch ein übergroßes Architekturmodell. Alles wirkte sauber, neu und clean. Immer wieder blickten wir das Marina Bay Sands Hotel hinauf – auf seinen drei Hoteltürmen thronte hoch oben das Querschiff, das in etwa 190 Metern Höhe mehrere Restaurants und Bars und den höchsten Infinity Pool der Welt beherbergt. Dieses Hotel wirkte einfach wie aus einer anderen Welt und aus welcher Perspektive man es auch betrachtete, es war einfach immer unfassbar groß und präsent.

Futuristische Gärten

Als erstes steuerten wir die „Gardens by the Bay“ an… in der Parkanlage wollten wir uns die berühmten künstlichen Bäume ansehen und die beiden Indoorgärten „Flower Dome“ und „Cloud Forest“ besuchen. Wir hofften vor allen Dingen, der unglaublich drückenden, schwülen Hitze zu entkommen.

Bereits der Flower Dome, eine riesige Glaskuppel, unter der Blumen und Pflanzen aus aller Welt gedeihen und in phantasievollen Inszenierungen präsentiert werden, bot Erleichterung. Die Luft war herrlich kühl und so verbrachten wir hier einige Zeit, um die vielen beeindruckenden Kakteen, Affenbrotbäume oder Sukkulenten sowie eine ganze Tulpenausstellung zu besuchen. Wirklich schön!

Der „Cloud Forest“, die zweite Glaskuppel, beherbergte nicht nur wiederum zahlreiche Pflanzen, hier befand sich auf einem künstlich angelegten begehbaren Berg in der Mitte der Halle außerdem ein großer Wasserfall – staunend wanderten wir zwischen Palmen, pinken Blüten und schneckenartig gewachsenen Blättern umher und konnten kaum fassen, was für eine futuristische Regenwaldwelt hier geschaffen worden war! Als wir oben am Berg auf einer Rampe stehend beobachteten, wie aus hunderten kleiner Düsen Nebel versprüht wurde und nun langsam alles in eine große Wolke hüllte, verstanden wir auch, woher der Name dieser Halle rührte. Allerdings wurde uns hier langsam fast schon ein wenig zu kalt und so beschlossen wir, wieder hinauszugehen, um uns in der tropischen Schwüle Singapurs aufzuwärmen.

Der Indoor Wasserfall in der „Cloud Forest“ Halle. Eine willkommene Abkühlung!

Wir spazierten noch eine Weile durch die „Gardens by the Bay“ – vorbei an Seen, überdimensionalen, in Tierformen gestutzten Büschen und verschiedenen Skulpturen – alles wirkte neu, verspielt und unbeschwert und erinnerte oft eher an einen Freizeitpark als eine „städtische Gartenanlage“.

Am Abend sahen wir uns eine viertelstündige Licht- und Soundshow an, die auf den künstlichen Baumskultpuren gezeigt wurde. Wir legten uns unter die metallenen Baumkronen,  sahen hinauf in die hunderten, blinkenden Lämpchen, lauschten dem Medley aus klassischen Highlights und genossen das Zusammenspiel von Licht, Farben und Klängen. Singapur wusste, wie man eine richtige Show machte!

Das Marina Bay Sands Hotel, die Helixbrücke und das Artscience Museum am Abend. Ein toller Anblick!
Little India

Am zweiten Tag wollten wir neben der zwar beeindruckenden aber sehr konstruierten und künstlichen Welt der Marina Bay noch eine andere Seite Singapurs kennenlernen und besuchten „Little India“! Zwei riesige, aus künstlichen Blüten geformte Elefanten markierten den Beginn dieser wiederum ganz anderen Welt. Bereits nach den ersten Schritten hinein in das bunte Treiben, sah ich alte Männer mit Schnurrbärten und zerschlissenen Sandalen auf klapprigen Fahrrädern, eine struppige Katze mit verstümmeltem Schwanz huschte über die Straße und Frauen in bunten Gewändern standen in ihren Geschäften, die vor Goldschmuck, glitzernden Steinen und bunten Stoffen nur so überquollen. Ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst sehen sollte. Hölzerne Elefanten, steinbeklebte Schatullen, bunte Blumenketten, glänzende Uhren, Gewürze, wild trommelnde Plastikaffen und kläffende Roboterhunde… alles verschwamm zu einem Teppich aus Bildern, Lärm und immer wieder neuen Gerüchen, der gepaart mit den schweißtreibenden Temperaturen ziemlich anstrengend wurde, obwohl mich all die fremden Eindrücke faszinierten. 34 Grad Celsius sagte meine App, gefühlte 39 Grad. Na dankeschön, da war mir schon klar, warum ich mich etwas angestrengt fühlte – Zeit für eine Pause!

Wir hatten uns schon zuvor ein vegetarisches Restaurant ausgeguckt und schlüpften in Hoffnung auf eine Klimaanlage und etwas Stärkung hinein. Tatsächlich waren wir unter den anderen indischen Besuchern die einzigen Touristen und blickten etwas befremdet aber in freudiger Erwartung auf ein sehr authentisch indisches Essen um uns. Die meisten aßen hier wie erwartet mit den Händen und wischten mit gekonnter Bewegung immer ein Päckchen Reis zwischen den Fingern durch all die Soßen und die curryartigen Pasten. Wir waren froh, zwei Gerichte auf der Karte zu entdecken, bei denen wir uns in etwa vorstellen konnten, was wir bekommen würden und bestellten diese zusammen mit zwei Mango-Lassis. Die erhoffte Kühlung und Entspannung aber blieb aus. Die Klimaanlage schien nur auf halber Lunge zu laufen (wenn überhaupt) und der überfüllte Raum war voller Geschrei. Ein paar Mal durchatmen, ein paar Schlücke Mango-Lassi und dann kam unser Essen. Auf einem Tablett war ein großes Palmblatt ausgelegt und auf diesem fanden sich neben Reis und Naan-Brot diverse Gemüsecurrys, Soßen, Dips und eingelegte Gurken. Gottseidank verstand einer der Kellner wohl auch unsere suchenden Blicke und reichte uns Besteck. Das Essen schmeckte nicht so fremdartig wie erwartet – es war würzig, etwas scharf, manches auch süßlich und sehr, sehr lecker… auch dies war also irgendwie Singapur!

Mit der U-Bahn fuhren wir schließlich zurück zum Hotel und verbrachten den Rest des Nachmittags am Pool liegend mit Blick auf die Skyline in einer gemütlichen „Cabana“, einem überdachten Doppelbett. Wir schwammen eine Runde und bestellten uns einen Mandarin Sling und einen Mojito. Wir hatten ein Leben!

Im Innern des Lotus

Nun war der letzte Tag unserer Reise gekommen – heute Nacht würden wir zurück in die Heimat fliegen. Wir nutzten den Tag, der wiederum sehr heiß und schwül wurde und in einem tropischen Regenguss und Gewitter enden sollte, um das (angenehm gekühlte) Artscience Museum zu besuchen. Das Museum, das ebenso wie das Marina Bay Sands Hotel ein Werk des israelischen Architekten Mosche Safdie war, erinnerte mit seiner Form an eine Blüte oder eine geöffnete Hand und wir konnten uns kaum vorstellen, wie es gelungen war, in dieser Form noch Räumlichkeiten für Ausstellungen unterzubringen. Wir besuchten dort zwei Ausstellungen – eine, die besondere Entdeckungen der Wissenschaft und Natur präsentierte und eine zum Thema Streetart – und auf diese Art und Weise konnten wir auch das Innere dieses faszinierenden Gebäudes ein wenig erkunden!

Im Zentrum des Artscience Museum kann durch diese runde Öffnung Regenwasser in ein Wasserbecken ablaufen.
Faszinierend war es, erste Skizzen und Entwürfe zur Entwicklung des Artscience Museums zu sehen
Abschied

Doch dann hieß es tatsächlich Abschied nehmen. Eine letzte heiße Dusche im Hotel, bevor wir alle Taschen in ein Taxi luden und zum Flughafen aufbrachen. Wie schnell die letzten drei Monate vergangen waren, aber wie unglaublich viel wir auch erlebt hatten, war schwer zu verstehen. Wie weit Düsseldorf und unser Alltag mir im Moment noch schienen, ebenso. Singapur hatte uns beeindruckt – und mehr gefordert als erwartet. Wir hatten die cleane Architektur bestaunt, die kühlen und perfekt inszenierten Gärten genossen, waren kopfschüttelnd durch die lärmenden Barviertel geschlendert, in denen sich die Musik überschlug und uns von überallher anschrie. Wir hatten uns in Little India durch die engen Geschäfte gedrückt und an der Marina Bay die luxuriösen Shopping Malls besucht. Singapur war all das und noch so viel mehr. Doch wir vermissten die Natur, die Ruhe, die Weite… und so fiel der Abschied nicht allzu schwer.

Ich freute mich, bald meine Freunde wiederzusehen und vor allen Dingen auch, ihnen alles Erlebte endlich erzählen zu können! Aber natürlich war es auch schwierig, sich vorzustellen, wieder zurück in den Alltag zu kehren. Würde uns die Umstellung schwer fallen? Würden uns die etwa 25 Grad Temperaturunterschied zu schaffen machen? Und was würde ich antworten, wenn mich jemand fragte, wie die Reise gewesen sei? Wie konnte man mal eben so zusammenfassen, was  wir im letzten viertel Jahr erlebt hatten? Ich war fast ein wenig nervös, heimzukehren und kämpfte im Taxi mit den Tränen.

Ob ich mich verändert hatte? Meine Haare waren von Sonne und Meer etwas heller, meine Haut etwas dunkler geworden, ich hatte von überall zahlreiche Mückenstiche eingesammelt und sah kaum noch auf die Uhr. Aber ansonsten war ich sicherlich noch immer die alte Blockblock und würde bestimmt wieder viel zu schnell zurück im Alltag sein.

Ein letztes Mal durch die Sicherheitskontrollen, ein letztes Mal boarden, ein letztes Mal einrichten in den viel zu engen Sitzen für einen viel zu langen 13 Stunden Flug… das würde mir schonmal nicht fehlen!

Dann startete unser Flieger gegen Mitternacht in einen gewittrigen Himmel, der von Blitzen erleuchtet wurde. Ich war wie immer beim Start nervös, drückte Mr. Incognitos Hand, sah draußen den dichten Regenschleier über den blinkenden Lichtern des Flügels, spürte das Vibrieren und Taumeln des Flugzeugrumpfes im Wind und flüsterte dem Universum zu, es möge uns durch das Unwetter und die Nacht sicher nach Hause bringen.

Wir landeten schließlich nach teilweise turbulentem Flug und 3,5 Stunden Schlaf morgens um 7 Uhr in Düsseldorf. Ein Zitat von Thomas Stern Eliot, das ich im Artscience Museum in Singapur gesehen hatte, ging mir durch den Kopf:

We shall not cease from exploration,

and the end of all our exploring

will be to arrive where we started

and know the place for the first time.

Hier am Flughafen in Düsseldorf hatte alles begonnen und hier schloss sich der Kreis. Ich trug nun etwas von all den Orten in mir, die wir besucht hatten. L.A., Hawaii, Maui, Kauai, Honolulu, Neuseeland, Australien, Singapur… sie alle hatten ihre Spuren hinterlassen und waren nun mit ihren ganz eigenen Geschichten und Erlebnissen ein Teil von mir. Vielleicht würde ich jetzt auch das ein oder andere hier zu Hause mit anderen Augen betrachten? Ich war gespannt!

 

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