Dass einem die Zeit wie Sand durch die Finger rinnt, spürte ich, je mehr wir uns dem Ende unserer Reise näherten, immer öfter– ganz besonders, als wir auf der größten Sandinsel der Welt waren: Fraser Island!

Nix da in Noosa

Wir verließen Brisbane  mit unserem Mietwagen und dem Ziel Hervey Bay, von wo wir nach einer Nacht in einem Airbnb-Gästezimmer mit der Fähre nach Fraser Island übersetzen wollten. Auf dem Weg nach Hervey Bay wollten wir eigentlich noch unser Koala-Erlebnis ausbauen und in Noosa eine Wanderung zu den wildlebenden Koalas unternehmen. Doch wir hatten leider nicht mit den Schulferien gerechnet – ganz Noosa schien überzuquillen vor strandsüchtigen Familien, Surfern, Campern, Sonnenhungrigen… es ließ sich selbst nach langer Suche kein einziger Parkplatz finden. Und so hieß es mal wieder loslassen, abhaken und weiterfahren.

Hervey Bay

Am Nachmittag erreichten wir Hervey Bay und trafen dort in einer gepflegten Einfamilienhaussiedlung auf „Di“, unsere Gastgeberin, die etwas schroff wirkte, aber ein schönes kleines Gästezimmer in ihrem Haus für uns bereitgestellt hatte. Als wir ihr von unseren Plänen berichteten, mit einem gemieteten Landrover selbst über Fraser Island fahren zu wollen, schlug sie nur die Hände über dem Kopf zusammen… es gäbe immer so viele Unfälle und wir sollten bloß gut auf uns aufpassen. Ich schluckte. War es wirklich eine gute Idee gewesen, das so zu buchen? Oder würden wir nun nach so vielen schönen Erlebnissen und langer wunderbarer Reisezeit die Gefahr eingehen, eine schreckliche Erfahrung zu machen? Mr. Incognito beruhigte mich immer wieder und ich versuchte, alle Zweifel beiseite zu schieben – würde schon werden!

Der Pelikan am Pier von Hervey Bay war ein imposanter Kamerad!

Am Pier von Hervey Bay trafen wir noch auf einen lustigen Pelikan, sahen uns den Sonnenuntergang an und beschlossen den Abend bei einer guten Flasche Wein und einem Abendessen in dem schönen Hafenrestaurant „The Vinyard“.

Auf ins PARADIES

Am nächsten Morgen war es dann soweit: Wir tauschten gegen 6.30 Uhr unseren kleinen Toyota Corolla gegen einen Landrover Discovery und machten uns nach vielen Hinweisen und einem ausführlichen Sicherheitsvideo, ausgestattet mit einer eingeschweißten Karte der Insel, einer Kühlbox, einer Schaufel und weiteren Werkzeugen für Notfälle auf den Weg zur Fähre. Es konnte losgehen!

Die Überfahrt nach Fraser dauerte etwa eine dreiviertel Stunde. Als wir als letzte die Fähre verließen und uns auf den Weg machten, um von der Westküste zur Ostseite der Insel und somit zum breiten befahrbaren Sandstrand zu gelangen, hatten wir bereits nach wenigen Minuten das Gefühl, komplett alleine auf der Insel zu sein. Ich war verdutzt, hatte ich doch mit einem Touristenansturm und zahllosen Bussen gerechnet, mit denen wir in Kolonne über die Insel fahren würden. Selbst unsere Mitfahrer von der Fähre schienen verschwunden… Ein oder zweimal schalteten wir den dröhnenden Motor ab und lauschten einfach hinaus in die Ruhe und die Geräusche des Waldes. Riesige blaue Schmetterlinge flatterten um uns herum und ich sah einige bunte Papageien hoch über uns in den Bäumen. Was für eine andere Welt! Kein Wunder, dass die Aborigines Fraser Island „K´gari“ nennen, was so viel wie Paradies bedeutet.

Sand in allen Varianten

Die „Straßen“, wenn man sie denn so nennen möchte, bestehen hier – wer hätte es gedacht – aus Sand! Mal feinpulvrig tief, mal feucht und fest, mal durchsetzt von Felsen und Wurzeln. Mr. Incognito arbeitete sich mit unserem „Traktor“ durch das mit dichtem Regenwald bewachsene Inselinnere. Mal schienen wir mit dem Wagen im Sand zu „schwimmen“, manchmal schienen wir uns so richtig durchzuschaufeln, aber meistens war es vor allen Dingen eins: ganz schön rumpelig! Ob es eine gute Idee gewesen war, ein paar Flaschen Bier in unsere Kühlbox zu packen? Einige Male sprangen die Box und unsere Taschen beim Durchfahren von Sandlöchern ordentlich in die Luft und schlugen mit lauten Knall zurück auf die Ladefläche… auweia!

Auf Sandstraßen durch den Urwald – eine richtige Abenteuerfahrt!

Nach etwa einer Stunde hatten wir uns zur anderen Seite der Insel durchgearbeitet und fühlten uns schon ganz schön durchgeschüttelt. Nach einer kleinen zweiten Frühstückspause ging es dann endlich auf den berühmten Sandhighway.

75 Mile Beach

Was für ein verrücktes Gefühl… mit maximal 80km/h (und ja, es gibt auch auf der Sandautobahn Schilder, die die erlaubte Höchstgeschwindigkeit angeben) fuhren wir über den weißen Strand von Fraser und mussten schon nach wenigen Minuten die erste Dingopause einlegen… einer der hier lebenden Wildhunde streunte am Strand entlang und natürlich blieben alle Wagen stehen, um ihn ungefährdet seines Weges ziehen zu lassen – und natürlich ein paar Erinnerungsfotos von dem rothaarigen Wildhund zu machen.

Einer der vielen Dingos, die hier auf Fraser leben

Die Sonne schien hell, der Sand blendete, das blaue Meer warf in beeindruckenden Wellen die weiße Gischt an Land. Eigentlich schade, dass wir hier wegen Haien und gefährlicher Quallen nicht ins Wasser durften… Der Strandhighway, der neben den Wagen und einigen Touristenbussen aber auch von Anglern oder anderen Strandbesuchern genutzt wurde, war streckenweise zusätzlich auch noch Lande-  und Startpiste für kleine Flugzeuge, die Rundflüge über die Insel anboten. So musste man nicht nur auf den Boden, die kleinen Wasserläufe und Bruchkanten im Sand, die Kinder, Touristen und Dingos, sondern auch immer noch auf den Himmel achten, um im Fall der Fälle einem Flugzeug Platz zur Landung zu machen. Nur einmal landete jedoch ein uns entgegenkommendes Flugzeug ein Stück weit hinter uns – verrückte Welt!

Der ganz normale Parkplatz am Highway hier auf Fraser
Maheno Wreck

Einer der Attraktionen an diesem Strand, der sich über Großteile der Ostküste Fraser Islands erstreckt, ist das Schiffswrack der Maheno, die hier 1935 gestrandet ist. Da nur noch das obere Deck einigermaßen erhalten ist, ist es schwer vorstellbar, dass das Schiff mal als Luxusliner zwischen Australien und Neuseeland gependelt ist. Sieht man sich die Abbildungen uralter Fotos auf den dort aufgestellten Schautafeln an, beginnt man erst zu begreifen, welche Geschichten dieses Schiff, das hier nur noch in seinen rostigen Überresten im weißen Sand zerfällt, erlebt haben muss. Hier wurden luxuriöse Hochzeiten gefeiert, aber es diente auch als Lazarettschiff… Schwer vorstellbar und irgendwie magisch, die Überreste des einst stolzen Schiffs hier an diesem endlosen Strand zu sehen.

Das Wrack der Maheno liegt hier seit 1935 am Strand und zerfällt

An der Maheno trafen wir auch auf einige Touristen, die wie wir ein paar Fotos am Wrack machten, aber als wir einige Minuten warteten, hatten wir das uralte Wrack, den weißen Strand und das Meer wieder ganz für uns. Wir waren wirklich verwundert, wie ruhig es hier doch war und wie oft man das Gefühl hatte, fast allein die Insel zu umrunden.

Doch auf Fraser rann uns tatsächlich die Zeit wie der weiße, quietschende Pudersand des Strandes durch die Finger. Denn nicht nur nahm das Fahren auf Sand deutlich mehr Zeit in Anspruch als gewohnt, auch musste man immer ein Auge auf die Gezeiten haben und kann nur bis zwei Stunden vor und wieder ab zwei Stunden nach Höchststand des Meeres den Strand befahren. So drehten wir am ersten Tag am Wrack um und machten uns auf den Weg zu unserem Resort, dem Kingfisher Bay, in dem wir zwei Nächte verbringen würden.

Die Gezeiten zu beachten, unseren Tagesablauf nach Sonnenauf- und Sonnenuntergang zu planen und nicht mehr nur noch nach den Zahlen auf unseren Smartphones, fühlte sich so gut und richtig an. Inzwischen waren wir zu „Frühinsbettgehern“ geworden und standen meist mit der Sonne gegen halb sieben auf. So sollte es immer sein. Dass wir dieses Konzept in Deutschland wohl wieder komplett vergessen konnten, daran wollten wir jetzt noch nicht denken.

Unser Wagen schaufelte uns überall zuverlässig durch – eine echte Outdoormaschine!
KookaburraS und Kakadus

Am Morgen erwachten wir von einem unglaublichen Gekreische und einem Geräusch, das uns zunächst an Affen erinnerte. Schläfrig tappste ich auf den Balkon und blickte blinzelnd in die Bäume, wo ich in einiger Entfernung weiße Vögel entdeckte. Tatsächlich waren es Kakadus, die uns geweckt hatten und wie sich später herausstellte, kam das andere Geräusch nicht von Affen, sondern vom „Laughing Kookaburra“, eine Art Eisvogel, der hier auf Fraser lebt.

Wir machten uns einen Kaffee, aßen ein französisches Hörnchen und machten uns wieder auf den Weg. Nachdem wir am ersten Tag wirklich ordentlich durchgeschüttelt worden waren, wussten wir nun ein wenig besser, was uns erwartete. Ich fuhr mein Seitenfenster herunter, ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen, schnallte mich an und los ging es wieder auf eine rumpelige Fahrt auf dieser „humpedybumpedy Road“. Ich dachte kurz an Michael auf Hawaii, der dieses geflügelte Wort bei uns geprägt hatte. Wie lang unsere Zeit dort doch schon zurück lag!

Champagne Pools

Es schien wieder ein heißer Tag zu werden und so steuerten wir die Champagne Pools an, in denen man geschützt vor Haien, Quallen und den starken Strömungen in Felspools baden können sollte. Der erste Stopp am „Indian Head“, einem Aussichtspunkt hoch oben auf einem Felsen, von dem aus man Haie, Rochen, Delfine und Schildkröten sehen können sollte, bot zwar einen schönen Ausblick auf den weiten Strand der Ostküste und das peitschende Meer, Tiere entdeckten wir jedoch leider keine. Schade. Zeit, weiterzuziehen!

Ausblick vom „Indian Head“

Kurze Zeit darauf schaufelten wir uns mal wieder durch feinpudrigen weißen Sand, das Gaspedal auf Anschlag durchgedrückt. „Don´t stop!“ hatte unser Autovermieter zu dieser Stelle gesagt. Selbst wenn wir jemanden sehen sollten, der sich festgefahren hatte – weiterfahren! Ansonsten würden wir selbst riskieren, in dem feinen Sand steckenzubleiben. Wir befolgten den Rat und kamen nach einigem Schwimmen im tiefen Sand bald darauf zu den Champagne Pools. Geschafft! Wir dachten an Neuseeland, wo wir in Rotorua den dampfenden und nach Schwefel riechenden „Champagne Pool“ besucht hatten – wie unterschiedlich diese Welten doch waren! Hier handelte es sich dabei um von Felsen geschützte Meerwasserpools, in denen kleine, bunte Fische schwammen und man sich erfrischen konnte. Hin und wieder schwappte eine große Welle über den Stein, das Wasser gluckerte unter Zischen und Plätschern durch Spalten und Fugen der Felsen und die weiße Gischt schäumte über den geschützten Pool und ließ unzählige kleine Luftblasen aufsteigen… Wir genossen bei diesen heißen Temperaturen die Erfrischung sehr und machten uns rechtzeitig wieder auf den Weg, um noch gerade zu sehen, wie ein Bus voller junger Backpacker ankam und über die zuvor noch recht entspannten Pools geschwemmt wurde…

Happy Sabbatical!

An unserem letzten Tag auf Fraser Island besuchten wir noch einige Seen – über 200 soll es auf Fraser geben – umso erstaunlicher, dass wir bisher kaum welche gesehen hatten. Der Lake McKanzie, den wir als erstes am Morgen ansteuerten und der als größter und besonders schöner Süßwassersee von Fraser Island gilt, sollte zu unserem HIghlight des Tages werden! Es gibt Dinge, die begreift man erst, wenn man sie selbst am eigenen Körper erlebt. Dass der See schön blau und klar sein sollte und an einem weißen Strand liegt, hatte ich bereits zuvor gelesen. Doch erst, als ich ihn mit eigenen Augen sah, begriff ich, welcher Zauber diesen See umgab.

Der Lake McKanzie… kein Bild gibt den Zauber dieses klaren Sees wieder

Wir waren früh genug am Morgen dort, um diesen schönen Ort mit nur wenigen Menschen zu teilen. Mr. Incognito war zunächst nicht überzeugt, ob er tatsächlich schwimmen gehen wollen würde, doch kaum hatte er ihn erblickt, spurtete er direkt zurück zum Wagen und holte seine Badesachen. Das bestechende Türkisblau, die Ruhe hier und der weiße Sand luden auf jeden Fall zum Verweilen und Baden ein. Die ersten Schritte und dann die ersten Züge, die ich in diesem klaren Wasser schwamm, waren geradezu magisch. Das Wasser war so pur und klar, dass ich ohne Probleme, selbst als ich bis zum Hals hineingegangen war, bis zu meinen Füßen blicken und jede Welle in dem so feinen weißen Sand unter mir erkennen konnte. Es war unglaublich! Ein Kellner, mit dem wir uns am Abend über diesen See unterhalten sollten, sagte ganz selig, dass es so sei, als würde dieses klare Wasser „die Aura reinigen“. Okay, das hätte ich jetzt anders formuliert, aber ich konnte durchaus verstehen, was er meinte… Dieses pure Blau, dieses perfekt klare Wasser, das sich weich an die Haut schmiegte, die Sonne im Gesicht… ungläubig in was für einer unwirklichen Szenerie wir uns hier befanden, lächtelten wir uns an und ließen uns im klaren Wasser treiben. Mr. Incognito streckte fröhlich die Zehen aus dem Wasser. „Happy sabbatical!“ sagte er und ich strahlte. Ja, happy  sabbatical!

Noch eine Runde abhängen in meiner Hängematte, die mir meine Duplexi-Crew mit auf die Reise gegeben hatte.

Auf dem Rückweg zur Fähre waren wir gut gelaunt und beschwingt. Alle Sorgen, die wir uns gemacht hatten, ob wir uns mit dem Wagen festfahren und uns freibuddeln müssten oder ob wir uns gar in Gefahr bringen würden, waren vergessen. Dieses Arbeitstier von Landrover hatte uns sicher durch alle Sandhindernisse, über Felsen und Baumstämme und durch Wasserläufe gebracht – wir hatten das Gefühl, mit diesem Wagen war jedes Zögern vor einem Hindernis unnötig. „Einfach drüber!“ war die Devise und es gelang einfach jedes Mal.

Flat Tire

Auf der Fähre verabschiedeten wir uns bei einem wunderschönen Sonnenuntergang, der das Meer und Himmel in goldorangene Töne tauchte, von Fraser Island. Nun hieß es nur noch kurz den Wagen tanken und zurückbringen und dann hatten wir uns ein schönes Abendessen verdient – dachten wir!

Mit goldenem Himmel verabschiedete sich Fraser Island von uns

Auf dem Weg zur Tankstelle sahen wir direkt neben der Straße rund zwanzig Känguruhs sitzen – unsere ersten (lebendigen) in freier Wildbahn und wir freuten uns, sie im Vorüberfahren erspäht zu haben. Wir waren müde und hungrig und so spendierte Mr. Incognito an der Tanke einen Schokoriegel. Dann verließen wir die Tankstelle… ein seltsames Tuckern war plötzlich im Wagen zu hören… hatten wir etwas unter dem Wagen hängen? Wir hielten kurz an, ich sprang hinaus und lief um den Wagen herum. Im Halbdunkeln versuchte ich unter dem Wagen nach einem verfangenen Gegenstand zu sehen und checkte auch den Tankdeckel nochmal. Er war fest verschlossen. Ich stieg zurück in den Wagen und wir fuhren weiter. Das Tuckern wurde jedoch lauter und wir sahen uns ratlos an. Mr. Incognito steuerte den Wagen langsam an den Straßenrand, als ein anderer Wagen neben uns hielt und ein jüngerer Kerl mit Baseballcap aus dem heruntergelassenen Fenster rief: „Do you need a hand?“  Wir sahen ihn fragend an. „Do you need help?“ rief er wieder und wies auf unseren Hinterreifen. „You´ve got a flat tire!“ Einen Platten?! Jetzt? Hier? Auf asphaltierter Straße, wenige Minuten bevor wir unseren Wagen zurückgeben wollten? Wir winkten ab, bedankten uns für die angebotene Hilfe und riefen unseren Autovermieter an.

Dass uns der Platten genau hier passiert war, nach allem, was wir dem Wagen auf der Insel abverlangt hatten, war schon erstaunlich und Mr. Incognito ärgerte sich… das war noch nicht mal eine coole Geschichte von Fraser Island – ein platter Reifen kurz vor dem Ende unseres Ausflugs war nur eins: einfach unnötig! Gottseidank blieb dies ohne Nachspiel. Jemand von der Autovermietung kam, um den Reifen mit uns zu wechseln und wir konnten anschließend wieder in unseren kleinen Toyota springen und uns auf den Weg zum Abendessen machen. Ich war erleichtert und happy – we survived Fraser!

1 Comment

  1. Mr. Incognito

    Lustiges Detail aus dem Sicherheitsvideo für Mietwagen auf Fraser: Es wurde darauf hingewiesen, dass man nicht betrunken Auto fahren darf. Dazu gab es folgenden Tipp: Ein erwachsener Mann sollte in der ersten Stunde zwei Bier trinken. Danach in jeder Stunde nur ein Bier.