Am Morgen wurden wir vom Zwitschern und Pfeifen der Vögel geweckt. Der Sonnenaufgang über den Bergen und dem Lake Wanaka tauchte die Umgebung in ein sanftes Licht und die Luft fühlte sich frisch aber warm an es schien der perfekte Tag für unseren Helikopterflug auf den Gletscher zu werden! Ein Anruf bei dem Veranstalter bestätigte dies: „Weather looks good, no worries.“ Wir wagten kaum zu glauben, dass unser Plan so perfekt aufgehen sollte und brachen zeitig auf, um nochmals zurück über den Lindis Pass, diesmal aber bis zum Lake Pukaki und dem Flughafen am Mount Cook zu fahren.

Lake Pukaki

Es war eine der vielen Momente auf unserer Reise, auf die ich mich sehr gefreut hatte. So viele Bilder hatte ich im Internet vom Lake Pukaki gesehen, der sich zu Füßen des Mount Cook und der Gletscher erstreckt und immer in einem unglaublichen, hellen Blauton zu leuchten schien. Würde er wirklich so überwältigend und unwirklich aussehen? Der strahlende Sonnenschein ließ mich jedenfalls hoffen, dass sich auch der See bei diesem perfekten Wetter von seiner schönsten Seite zeigen würde.

Die Straße, die uns zum Lake Pukaki führte, schlängelte sich sanft durch Hügel und Hänge, zarte Gräser und sprudelnde Bäche auf grauem Kies säumten unseren Weg… und ganz plötzlich lag er vor uns: Der Lake Pukaki – glitzernd und gleißend im Licht der Sonne, in den strahlendsten hellblauen Tönen und von so einer beeindruckenden Präsenz und puren Schönheit, dass ich für einen Moment einen Kloß im Hals bekam. Wunderschön! Wir fuhren direkt auf einen Parkplatz am Straßenrand, von dem aus man seinen Blick in dem unfassbaren Blau des Sees baden konnte… einfach Wahnsinn!

Leuchtendes Hellblau: Der Lake Pukaki

Etwas zu früh erreichten wir dann den Flughafen zum Check In für unseren Helikopterflug und staunten immer wieder über die überwältigende Szenerie des mächtigen, schneebedeckten Mount Cook und der anderen imposanten Berge, von deren Hängen sich gewaltige Eismassen ihren Weg ins Tal zu bahnen schienen.

Nachdem wir mit stabilen Wanderstiefeln, dicken Socken und „Cramps“ (Schneekrallen für unsere Schuhe) ausgestattet worden waren, brachte uns der Helikopter schließlich auf den Abel Tasman Gletscher, der mit seinen fast 27km zu den längsten Neuseelands zählt. Wir sprangen mit Hilfe unseres Guides, der dort oben bereits auf uns gewartet hatte, hinaus und kauerten uns einige Meter weiter, wie uns zuvor gezeigt worden war, zusammen, um das Abheben des Hubschraubers abzuwarten. Wir hielten Sonnenbrillen und Haarbänder fest an unsere Köpfe gedrückt, als mit einem plötzlichen heftigen Windstoß der Hubschrauber abhob und kleine Eisscherben durch die Luft wirbelten. Dann richteten wir uns langsam auf. Das Wummern der Rotoren wurde immer leiser und der Hubschrauber verschwand als kleiner Punkt am leuchtend blauen Himmel. Da waren wir nun also – innerhalb von wenigen Minuten auf einem Gletscher!

Auf dem Abel Tasman Gletscher
Eis unter den FüSSen

Ich atmete tief ein. Die Luft war klar und kühl und die Sonne wärmte mein Gesicht. Wir schnallten uns die Schneekrallen unter die Schuhe und folgten unsicher und staksig unserem Guide auf dem Eis. Besonders, wenn der Weg ein Stück bergab führte, musste ich mich zunächst wieder sehr überwinden, um ohne Angst vor einem Abrutschen weiterzugehen. Doch die metallenen Krallen unserer Cramps gruben sich in das Eis und hielten uns auch auf abschüssigen Strecken fest verankert. Schon nach wenigen Schritten fühlte ich mich sicherer und konnte ganz den Ausblick über das Eis und unsere Wanderung genießen. Unser Guide führte uns zu großen Eisspalten, in die wir hineingehen und dort dem unter dem Eis glucksenden und gurgelnden Wasser lauschen konnten. Sogar in einen Tunnel aus Eis konnten wir hinabstiegen und ihn durchqueren. Wie veränderlich und vergänglich all diese Strukturen hier oben waren, wurde mir wieder bewusst, als unser Guide anmerkte, dass es diesen Tunnel wohl in ein oder zwei Wochen so wohl nicht mehr geben würde. Dass der Abel Tasman Gletscher an sich einst insgesamt viel, viel höher gewesen war, zeigten eindrückliche Verfärbungen der Gesteinsschichten an den Hängen der umliegenden Berge.

In den Gletscherspalten gluckerte das Eiswasser

Wir standen mit unserer kleinen Gruppe von sechs Leuten staunend in dieser imposanten Szenerie und blickten uns immer wieder ehrfürchtig um. Mit uns waren ein weiteres Pärchen und ein japanischer Mann mit seinem etwa 7-jährigen Sohn auf den Gletscher geflogen – furchtlos hüpfte der kleine Junge mit seinem Rucksack über die Spalten und kleinen Wasserläufe im Eis und folgte unserem Guide auf Schritt und Tritt. Ein wenig beneidete ich ihn um sein so unerschrockenes Umherspringen über die Eisklippen und rutschigen Hänge.

Die auf dem Gletscher erwartete Kälte blieb aus – noch nicht einmal eine Jacke brauchten wir, während wir hier oben unsere Runde über den Gletscher drehten, unsere Nasen in die leuchtend blauen Eisspalten steckten und unsere Flaschen mit frischem Gletscherwasser füllten. Fast schon zu heiß schien die Sonne und blendend hell strahlte das Eis unter unseren Füßen. Immer wieder strich ich fasziniert mit den Fingerkuppen über die unterschiedlichsten Eisstrukturen, die manchmal grob, manchmal aber auch in sanften Rundungen glattgewaschen waren. Wunderschöne Strukturen, kühl und elegant, erstarrt und doch in ständiger Veränderung. Noch vor einigen Wochen waren wir über heißes Lavagestein gewandert – nun hatten wir rutschiges Eis unter unseren Stiefeln… unglaublich!

Als wir gegen 16 Uhr wieder am Flughafen von Mount Cook landeten, war unser Plan, uns einen kostenlosen Platz für die Nacht an der Südspitze des Lake Pukaki und am besten mit direktem Blick auf den See – so hoffte ich – zu ergattern. Da es jedoch schon so spät war, hatte ich nicht allzu große Erwartungen… Bei der ersten kostenlosen Campingmöglichkeit standen wie erwartet bereits einige Camper in mehreren Reihen zum See und hatten ihre Klappstühle zurechtgerückt… nicht ganz mein Geschmack. Wir fuhren eine Runde und entschieden uns, obwohl wir hier sicher noch irgendwie einen Platz bekommen hätten, weiterzuziehen. Nur wenige Minuten später fuhren wir dann auf einen Straßenabschnitt, der durch einen Pinienwald und direkt am Lake Pukaki entlang führte und an dem es verschiedene Stellen geben sollte, wo man kostenfrei und legal übernachten konnte. Wir fuhren abermals an einigen bereits geparkten Campervans vorbei, wollten uns aber auch hier nicht dazwischendrängen und folgten so noch weiter der Straße.

Der perfekte PLATZ

Plötzlich entdeckte ich, ein Stück neben der Straße, ein kleines Fleckchen Wiese – fast zu schön um wahr zu sein… direkt am See gelegen, umgeben von hohem Gras und vor allen Dingen: menschenleer! Wir konnten unser Glück kaum fassen! Wir fuhren das Stück hinunter bis an den Kiesstrand und stiegen aus. Es war unglaublich still. Als wir den Motor abstellten, hörten wir nur, wie das Wasser mit leisem Glucksen über den Kies schwappte. Der Abend senkte sich langsam über den Lake Pukaki und die Sonne verabschiedete sich mit goldenem Himmel hinter den Bergen. Im Abendlicht spiegelten sich einige Wolken mit dem Gebirge im ruhigen Wasser und wir freuten uns auf eine stille Nacht an diesem idyllischen Plätzchen.  Das war genau das Neuseeland, von dem ich immer geträumt hatte!

Dass wir gerade hier am Lake Pukaki ein Plätzchen ganz für uns allein finden würden, hätte ich niemals geglaubt!

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