Es gibt ein paar Events, die wir schon weit im Voraus in Deutschland gebucht haben und auf die wir uns somit schon lange freuen. Doch bei manchen Exkursionen waren wir uns nicht gleich einig, ob wir sie wirklich machen sollten. Lange musste ich darauf hinarbeiten und Mr. Incognito davon überzeugen, dass wir beispielsweise auf Maui auf jeden Fall eines machen mussten: Die Wale sehen – und zwar nicht von einem langweiligen Ausflugsboot aus! Diesmal wollte ich ihnen ganz nahe kommen: Zusammen mit einem Guide würden wir im Kajak aufs offene Meer hinauspaddeln und versuchen, den Riesen dort zu begegnen… Dass natürlich keiner so recht vorhersagen kann, wie nah wir den Meeresgiganten wirklich kommen und wie sich diese uns gegenüber verhalten würden, gefiel Mr. Incognito aber nicht so wirklich. Gottseidank konnte ich ihn dennoch dafür gewinnen und seine Sorgen, dass uns ein riesiger Buckelwal mit einem unbedachten Sprung oder Flossenschlag zerschmettern würde, etwas zerstreuen … manchmal war ich mir aber ehrlich gesagt auch selbst nicht so ganz sicher, ob wir da nicht doch etwas ziemlich Verrücktes machen würden.

Heute war es endlich soweit! Morgens um sieben sollte es losgehen… das Wetter war traumhaft und die Sonne wärmte schon am frühen Morgen die Luft angenehm auf. Wir trafen unseren Guide an einer kleinen Bucht, von der aus wir aufs offene Meer paddeln würden. Corry, ein blonder Junge aus Utah, der seine Winter auf Maui mit Whalewatching-Touren verbringt und im Sommer im Yellow Stone Park Wildwasserrafting anbietet, erklärte uns kurz, wie wir uns den Walen nähern würden und was beim Paddeln zu beachten war, damit wir uns in unserem Zweier-Kajak auch gemeinsam fortbewegen und nicht gegeneinander anpaddeln würden – kurz vorweggenommen: das werden wir wohl noch üben müssen, aber für den Anfang hat es schonmal ganz gut geklappt.

RUHE VOR DEM STURM

Wir schwangen uns also in unser gelbes Kajak und paddelten los, Corry folgte uns in einem zweiten Kajak. Das Wasser war recht ruhig und wir kamen schnell in Schwung, doch in der ersten Stunde tat sich nicht viel. Wir paddelten mal in die eine, mal in die andere Richtung und hier und da war in der Ferne der „Spray“ eines Wals zu sehen – eine Fontäne, die ein Wal beim Ausatmen erzeugt. Wir vertrieben uns die Zeit mit Smalltalk und erzählten Corry von unseren weiteren Reiseplänen. Immer wieder sah ich ihn mit den Augen den Horizont absuchen und er seufzte. Als er mehrfach meinte, dass es ungewöhnlich ruhig an diesem Morgen sei, sank meine Hoffnung, den Walen heute wirklich nochmal näher zu kommen.

Dann plötzlich tat sich etwas – in einiger Entfernung war Bewegung im Wasser zu sehen! Wir paddelten erwartungsfroh in diese Richtung – war das etwa ein Walkalb? Die Buckelwale, die jeden Winter fast 5000 km aus Alaska zurücklegen, um sich hier in den warmen Gewässern um Hawaii zu paaren und ihre Jungen zu gebären, sind hier oft mit ihren Kälbern zu sehen. Doch bei näherer Betrachtung wurde uns schnell klar, dass es sich hier wohl „nur“ um Delfine handelte. Corry meinte, dass er diese Bottlenose-Delfine erst zum dritten Mal hier sehen würde und es generell selten sei, diese auch in einer größeren Gruppe wie dieser anzutreffen. Nun gut, Delfine zu sehen war auch immer schön. Und nachdem wir auf Big Island bereits die lustigen und akrobatischen Spinner-Delfine beobachtet hatten, war es klasse, nun auch den deutlich größeren Bottlenose-Delfinen auf offenem Meer zu begegnen. Aber eigentlich waren wir doch wegen etwas Anderem hier…

Einer der Bottlenose-Delfine, die uns umkreisten
Dann Ging es plötzlich los

Einige Kajaks anderer Gruppen waren inzwischen in eine andere Richtung aufgebrochen und mit einem Mal sahen wir recht nah bei ihnen doch in einiger Entfernung zu uns eine große Menge weißer Gischt aufspritzen – wir trauten unseren Augen kaum: Da schien nicht nur ein Wal in die Höhe zu springen, wir sahen gleich mehrere Schwanz- und Brustflossen tosend aufs Wasser klatschen und schwarze Walkörper, die sich im Wasser hin- und herwarfen. Corry begann sofort loszupaddeln und forderte uns hektisch winkend auf, ihm zu folgen. Schnell war klar, dass er den Plan hatte, eine Position einzunehmen, die wohl auf der von ihm angenommenen Route der Wale liegen würde – wie richtig er damit lag, bemerkten wir, als wir dann ein Stück weiter als Corry die Paddel aus dem Wasser nahmen, zum Stehen kamen und dem gewaltigen Schauspiel etwas außer Atem entgegensahen.

Was sich da direkt auf uns zubewegte waren  keine zwei oder drei Wale… wir sahen zum Teil sechs bis sieben Wale, die fast gleichzeitig mit ihrem Buckel vor uns auftauchten, ihre mächtigen Schwanzflossen aus dem Meer hoben oder seitlich mit ihren Brustflossen auf das Wasser schlugen… und wir saßen in unserem kleinen, schaukelnden Kajak einfach nur da, staunten und begriffen kaum, wie uns geschah… Einige der Wale schienen dann abzutauchen, einer aber hielt weiter genau auf uns zu und ich sah einige Meter vor uns seinen schwarzen, glänzenden Rücken auf uns zurollen – oh mein Gott! Der Wal tauchte wieder unter, aber was, wenn er genau unter uns wieder auftauchen würde? Was, wenn er uns nun doch mit seinem wuchtigen Körper und bis zu 40 Tonnen Gewicht oder mit einem Schlag seiner riesigen Schwanzflosse erwischen würde? War das alles doch eine blöde Idee gewesen?

Der Wal kam direkt auf uns zu!

Ich rief kurz nach Corry, der in einiger Entfernung von uns in seinem Kajak saß und sich das Schauspiel ebenso gefesselt anzusehen schien… dass auch er uns nun nicht helfen konnte, wurde mir auch schlagartig bewusst. Ich hielt die Luft an. Der Wal konnte jeden Moment unter uns hochkommen, oder direkt neben uns… ich hielt die Gopro ins Wasser, um eventuell eine Unterwasseraufnahme von dem zu bekommen, was nun passieren würde oder von dem Koloss, der unter uns dahinzog – aber meine Hand und mein ganzer Arm zitterten. Es vergingen einige Sekunden – und es passierte nichts. Er war abgetaucht.  Als einige der Wale ein Stück hinter uns wieder schnaubend an die Oberfläche kamen, atmete ich erleichtert durch. In manchen „Luftstößen“ bildete sich für einen Moment lang ein kleiner Regenbogen – was für ein Anblick!

Fountains of Bellagio

Corry strahlte uns an. Wir waren uns alle bewusst, was für ein besonderes Naturschauspiel uns hier gerade geboten worden war! Und als wir langsam wieder die Paddel ins Wasser senkten und versuchten, den Walen in sicherem Abstand zu folgen, freute sich Corry, dass sein Plan so perfekt aufgegangen war – allerdings gab er auch zu, dass er einen Moment lang doch etwas „scared“ gewesen sei, als der Wal so direkt auf uns zukam. Wahrscheinlich hatte es sich um eine wild rüpelnde Truppe von Walbullen gehandelt, die um eine Walkuh buhlten. Dabei kann es bei Buckelwalen schonmal recht brutal und agressiv zugehen – wie wir ja live miterlebt hatten! Ein netter kleiner Adrenalinschub zum Morgen…

Doch damit war unsere Tour noch nicht vorbei. Aus der Entfernung sahen wir immer wieder den Blas der sich entfernenden Walgruppe, zum Teil sechs- oder siebenfach nebeneinander. „Like the fountains of Bellagio“ scherzte Corry und tatsächlich hatte es etwas von dem berühmten Wasserspielen in Las Vegas. Dann kam die Nachricht über Corrys Funkgerät: Ein anderer Guide war wohl auf einen „Singer“ gestoßen. Ich konnte es kaum fassen! Wie sehr hatte ich mir gewünscht, einmal Wale singen zu hören! Ob das nun noch dieses unglaubliche Erlebnis krönen würde?

ZUM ABschied ein besonderes Lied

Wir paddelten also weiter, bis zu der Stelle, an der bereits ein paar Andere still in ihren Kajaks saßen und lauschten. Corry zeigte uns, wie wir die Paddel senkrecht ins Wasser halten und unser Ohr an das Paddelblatt legen konnten, um den Wal singen zu hören. Beim ersten Mal gelang es mir noch nicht, doch etwas später war es plötzlich klar und deutlich zu vernehmen. Selbst über Wasser konnte man den Wal – auch ohne Hilfe des Paddels – noch leise hören und minutenlang lauschten wir fasziniert dem Singen, Quieken und Grunzen der Riesen. Als er schließlich nochmal vor uns auftauchte, geschah dies mit einer unglaublichen Ruhe – es wirkte einfach entspannt und friedlich.

Mr. Incognito horchte noch gebannt am Paddel, während sich vor uns der Wal ein letztes Mal in aller Ruhe präsentierte.

Es war ein perfekter sonniger Morgen und eine unvergessliche Begegnung mit den Buckelwalen gewesen – als wir die Füße wieder in den Sand setzten, mussten wir zunächst unser Gleichgewicht wiederfinden und vor allem erstmal begreifen, was wir da gerade erlebt hatten! Meine Bilder und Videos sind im Übrigen zum großen Teil leider vor lauter Aufregung nicht allzu aussagekräftig geworden… vielen Dank daher nochmal an Corry von Hawaiian Paddel Sports, der im richtigen Moment auf den Auslöser gedrückt hat! Dennoch können Bilder kaum wiedergeben, was wir dort auf offenem Meer mit eigenen Augen gesehen haben.

Den Nachmittag verbrachten wir dann an einem nahegelegenen Strand – schliefen, badeten und hielten weiter Ausschau nach den Fontänen am Horizont. Doch es war ruhig geworden und wir waren einfach nur überglücklich und zufrieden mit unserem überwältigenden Wal-Erlebnis!

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