Waikiki Beach

Ich habe eine lange Liste von Dingen, die ich auf unserer Reise sehen oder unternehmen möchte – für jeden Ort habe ich bereits im Voraus Wanderungen, Schnorchelspots, Restaurants oder Ausflugsmöglichkeiten recherchiert und chronologisch in einer Tabelle sortiert – denn ich bin gerne gut vorbereitet! Nur ein Ort taucht in dieser Liste nicht auf: Honolulu.

Von unserem letzten Stop auf Hawaii hatte ich mir tatsächlich nur wenig versprochen. Die Ruhe, landschaftliche Idylle und rohe Schönheit von Big Island, Maui und Kauai, die ich mir erhofft hatte, hatte ich in den letzten drei Wochen in vielen Facetten kennengelernt und sehr genossen. Wir hatten den schnalzenden Geckos und gurrenden Täubchen gelauscht, waren barfuß durch schwarzen Sand gelaufen, waren früh schlafen gegangen und meist mit der Sonne aufgewacht und ich fühlte mich fast etwas verwildert, als wir nun wieder eine Reise in eine „große Stadt“ antraten. Ich wollte versuchen, mir diesen Eindruck und den entspannt freundlichen „Aloha Spirit“ trotz eines vielleicht „Las-Vegas-ähnlichen“ Trubels oder sogar hektischen Touristentreibens in Honolulu zu bewahren. Da unser Weiterflug nach Neuseeland aber so oder so über Honolulu führte, hatten wir hier einen kleinen Stop eingeplant.

Zum ersten Mal seit Los Angeles checkten wir nicht in eine Airbnb-Unterkunft oder ein Gästehaus sondern wieder in ein Hotel ein und zum ersten Mal waren wir wieder nur auf unsere eigenen Füße und die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen, da wir für die kommenden drei Tage hier auf einen Mietwagen verzichtet hatten.

Auf Waikikis Straßen

Bei der Landung auf Oahu empfing uns ein verhangener Himmel, ähnlich dem, den wir auf Kauai hinter uns gelassen hatten. Doch der war schnell vergessen, denn nach dem Check-In in unser Hotel am späten Nachmittag stand bereits das erste Waikiki-Event auf unserem Programm: Wir wollten uns ins Getümmel stürzen, den Strand sehen und ein paar leckere Cocktails in einer Beach-Bar trinken, während wir den Surfern zusahen. In den ersten Momenten kam ich mir in Honolulu, wo Hochhäuser und spiegelnde Fassaden das Stadtbild prägen und sich Autos hupend durch die Straßen drücken, etwas verloren und überfordert vor, merkte aber schnell, dass der befürchtete Touristenrummel selbst auf der Hauptstraße von Waikiki doch deutlich entspannter war als erwartet – mit Las Vegas nicht zu vergleichen! Hier schlenderte man gemütlich von einem Schaufenster zum anderen, hübsche japanische Touristinnen in wehenden Kleidern kicherten hinter vorgehaltener Hand und muskulöse, gebräunte Surfer waren unterwegs mit ihren Boards, die sie lässig unterm Arm trugen, an ihren Roller geschnallt hatten oder auch auf ihrem Skateboard fahrend transportierten. Wenn ich mich daran erinnerte, wie unhandlich und schwer sich bei unserer Surfstunde das Board an Land angefühlt hatte, war ich jedes Mal verwundert, wenn diese ganz selbstverständlich wirkenden Symbiosen aus Mensch und Surfboard an mir vorüberzogen. Einige Männer und Frauen trugen „Leis“, die für Hawaii bekannten und wunderschönen Blumenketten, um den Hals oder auch einfach eine Blüte hinter dem Ohr, und bunt gemusterte Hawaii-Hemden in allen Farben unterstrichen den entspannt fröhlichen Look auf den Straßen.

Ich genoss es sehr, endlich wieder einen richtigen Bürgersteig nutzen zu können – den hatten wir in den letzten Wochen oft vermisst und der Weg zu Fuß war meist beschwerlich und nur über die Autostraße möglich gewesen. Hier in Waikiki waren zwar die Ampelphasen recht lang, doch wir hatten ja Zeit  – und während man auf die nächste grüne Ampel wartete, konnte man sich hawaiianische Worte ansehen, die mit ihren Bedeutungen in den Stein des Fußweges eingraviert waren. Was für eine schöne Idee! Mir fiel auf, wieviele Worte ich bereits in den letzten Wochen gelernt hatte – und auch wie sehr ich die hawaiianische Sprache lieb gewonnen hatte. Sie wirkt auf mich klar, einfach und freundlich und ich werde ihren warmen Klang wohl immer mit den Farben des Meeres, dem Rascheln von Palmblättern und dem Geschmack herrlich süßer Ananas verbinden. Vor allem aber wird sie mich immer an die Menschen erinnern, die so ruhig, offen, aufmerksam und freundlich zu uns waren.

Rosarote Brille

Der Weg von unserem Hotel zum Strand war nicht weit, allerdings fanden wir den „Public Beach Access“ zwischen all den Hotels, die sich am Waikiki Beach aneinanderreihen, nicht auf Anhieb, und stolperten so völlig unwissend plötzlich durch die vornehme Lobby eines Hotels, um endlich zum bekannten Strand zu gelangen. Dass es sich bei diesem Hotel ausgerechnet um eines der berühmtesten und geschichtsträchtigsten in Waikiki handelt, bemerkten wir erst, als wir glücklicherweise einen wunderbaren Platz in der zugehörigen Strandbar in erster Reihe zum Meer ergattert hatten: Es war das altehrwürdige „Royal Hawaiian“, ein aus einiger Entfernung leicht zu erkennendes, rosafarbenes Gebäude, das zwischen den anderen hoch hinausragenden Hotels wie ein winziges Schlösschen aus einer anderen Zeit wirkt. Tatsächlich wurde das „Royal Hawaiian“ bereits in den 1920er Jahren eröffnet und es wird außerdem erzählt, dass der Cocktail „Mai Tai“ eigens für seine Hotelbar kreiert wurde. Da saßen wir also vor dem rosaroten Hotel und unter rosafarbenen Sonnenschirmen, lauschten dem Klang der kleinen Live-Band, die mit Gitarre und Ukulele wahres Hawaii Feeling zauberten, und schlürften die köstlichen Cocktails, während sich der Himmel langsam (natürlich) rosa verfärbte und einen kitschigen aber wunderschönen Sonnenuntergang ankündigte. Waikiki hatte uns im wahrsten Sinne des Wortes die rosarote Brille angezogen! Alles schien unwirklich. Der Sand war so weiß und das Meer so türkis, die Surfer tanzten auf der Gischt der Wellen und nicht nur der original Mai Tai sondern auch die anderen Cocktails waren jeder für sich eine Offenbarung! Der Ort, von dem ich mehr Schein als Sein erwartet hatte, empfing uns mit einem perfekt inszenierten ersten Abend, der nicht schöner hätte sein können.

Mit leckeren Cocktails und Pupu (hawaiianische Vorspeisen) ließen wir es uns gut gehen.
Nachtleben in Waikiki

Nach unseren Willkommens-Cocktails in der „Mai Tai Bar“ des „Royal Hawaiian“ schlenderten wir über die quirlige Hauptstraße, die vom Strand direkt zu unserem Hotel führte, „nach Hause“. Bei Einbruch der Dunkelheit zeigte sich Waikiki dann nochmal von einer anderen Seite: Die Straße verwandelte sich in eine einzige lange Bühne und alle paar Meter fand sich ein anderer Sänger, Gitarrist, Zauberer, Karikaturist oder gar eine ganze Band! Da war der knochige, alte Mann, der allein mit Mundharmonika und Gitarre performte, ein zartes Mädchen mit bunten Bändern im Haar und glitzerndem Blumenmakeup, das mit glockenklarer Stimme die Passanten innehalten ließ oder ein Farbiger mit Hut, der seine Songs frei für seine Zuschauer improvisierte… ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst sehen oder wohin ich als nächstes hören sollte! Während ich mit schrabbelnden Straßenmusikern gerechnet hatte, war hier eine wahre Ansammlung an Talenten, die mich wirklich erstaunte.

Doch natürlich ist die Nacht auch die Zeit der etwas „dunkleren“ Gestalten… Vermehrt sahen wir nun auch die zahlreichen Obdachlosen, die hier zum Teil auch an den Stränden „wohnen“ und die ein oder andere wirr vor sich hinplappernde Gestalt. Ein Mann lief lauthals singend und eine Plastiktüte umarmend in einem blauen Bademantel, der mit kleinen Hunden bedruckt war, an uns vorbei. Ich lächelte in mich hinein und genoss das bunte Treiben und all die unterschiedlichen Menschen und Eindrücke. In einem der unzähligen „ABC Stores“, die eine Mischung aus Souvenirshop und Mini-Supermarkt waren (der Fahrer unseres Flughafen-Shuttles meinte, „ABC“ stände für bunch of crap“) kauften wir uns noch ein paar Muffins für den nächsten Morgen und schlüpften dann durch den schmalen Eingang zurück in unser kleines Hotel, in dem ein gemütliches Bett und eine ordentliche Runde Schlaf auf uns warteten.

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