Unsere erste Nacht im Camper war wirklich abenteuerlich. Der Tropensturm „Hola“, dessen Zentrum Gottseidank draußen auf dem Meer knapp an Neuseeland vorbeizog, brachte so viel Wind mit sich, dass wir – allein mit unserem Camper auf einem Hügel stehend – ordentlich ins Schaukeln gerieten. Immer wieder wachte ich von den heulenden Böen auf und spürte, wie unser Van hin- und hergerüttelt wurde… und stellte mir vor, wie uns ein unerwarteter Windstoß umwerfen und den Hang hinunterrollen lassen würde. War es eine unheimlich dumme Idee gewesen, sich gerade bei dem unvorhersehbaren Wetter auf diese Anhöhe ohne jeglichen Windschutz zu stellen?

Doch irgendwann erwachte ich – das erste Mal in unserem Camper – nicht von den Erschütterungen des Windes, sondern den ersten Sonnenstrahlen. Die Dunkelheit der Nacht wich einem leicht rosafarbenen Sonnenaufgang und als ich unseren kleinen Vorhang zur Seite schob und durch unsere völlig beschlagenen Scheiben spähte, konnte ich die ersten Strahlen sehen, die durch die Wolken stachen. Auf der anderen Seite breitete sich verschlafen und teilweise noch in den Morgennebel gehüllt das versprochene Panorama vor uns aus und über zahlreiche sanfte Hügel und Bäume konnte ich tatsächlich bis hinunter bis zum Meer sehen. Ich war selig. Wir hatten unsere erste Nacht im Camper überlebt, waren nicht den Hügel hinuntergepustet worden und nun ganz offiziell waschechte Camper! Und wie es sich für Camper gehört, machten wir uns wieder auf den Weg, ohne zu wissen, wo wir uns die nächste Nacht den hoffentlich weniger starken Wind um die Ohren pusten lassen würden.

Blaue Sterne

Wir nutzten den Tag, um den nahe gelegenen Waitomo Caves einen Besuch abzustatten. Als einer der ersten Punkte auf meiner Wunschliste für Neuseeland hatten schon von Anfang an die Glühwürmchenhöhlen gestanden und mit einer zweistündigen Tour besichtigten wir nun eines dieser Höhlenlabyrinthe und dessen beeindruckenden Stalagmiten und Stalaktiten tief unter der Erde. Über wieviele Millionen Jahre diese abstrakten Gebilde, die teils wie Wachstücher und teils wie spitze Knochen wirkten, gewachsen waren, ließ sich kaum begreifen. Und dann war es endlich soweit… wir gingen um eine Ecke und standen plötzlich in einer stockfinsteren Höhle, in der überall die winzigen blauen Lichter um uns herum leuchteten. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und spürte die kühlfeuchte Luft der Höhle im Gesicht, während ich die hunderten Lichter wie einen Sternenhimmel betrachtete. Wunderschön!

Als wir wieder hinaustraten, begrüßte uns trotz dunkler Wolken gleißend heller und warmer Sonnenschein und wir machten uns auf den Weg, um eine Bleibe für die Nacht zu finden. Wir schlängelten uns wieder durch zahlreiche Rinder- und Schafsfarmen, weiche, grüne Hügel säumten die Straße und ich hatte inzwischen einen D.O.C. Stellplatz ins Auge gefasst, der in einem Waldgebiet gelegen Ruhe und hoffentlich Schutz vor erneuten Windböen bieten würde. So bogen wir in eine Schotterstraße ab und befanden uns kurz darauf auf einer großen Wiese, auf der außer uns anscheinend nur ein anderer Camper sein Lager aufgeschlagen hatte. Wir parkten hinter ein paar Bäumen und stiegen aus. Ruhe. Nur das Pfeifen von Vögeln und der Wind in den Blättern waren zu hören. Herrlich!

The lazy hunter

Kurz schoss mir die Warnung von Greg aus Auckland durch den Kopf, nicht so dumm zu sein und sich irgendwo alleine hinzustellen, da man sonst auch schonmal überfallen werden konnte. Ob wir uns hier sicher fühlen konnten? Wir sahen uns um und inspizierten den Platz. Es gefiel uns und wir beschlossen zu bleiben. Immerhin waren wir hier nicht ganz alleine – anscheinend. Der Wagen mit großem Wohnwagen-Anhänger zumindest ließ vermuten, dass sich hier noch irgendwo ein anderer Camper herumtreiben musste.

An einer Informationstafel war angeschlagen, dass hier pro Person 6 Neuseeland-Dollar pro Nacht (umgerechnet ungefähr 3,50 Euro) zu bezahlen waren. So legten wir das Geld zusammen mit einer Notiz zu unserem Fahrzeug in einem Umschlag und warfen es in die bereitgestellte Box. Als wir uns schließlich zurück zu unserem Camper kamen, stand plötzlich ein Mann mittleren Alters vor uns – anscheinend der andere Camper. Mit seinem spitzbübischen Lächeln und lebendigen blauen Augen machte er direkt einen sehr netten Eindruck und ich war erleichtert. In seinem grauen Kapuzenpulli und mit Flipflops stand Darren, wie er sich dann vorstellte, vor uns und wie unterhielten uns eine ganze Weile. Er versicherte uns, dass dies ein guter und sicherer Platz sei und gab uns – wie eigentlich jeder Neuseeländer, den wir noch treffen sollten – direkt zahlreiche weitere Tipps zu unserer Reiseroute. Die Neuseelandkarte vor uns ausgebreitet kringelten wir eifrig seine Empfehlungen ein und immer wieder hielt Darren kurz inne, wies auf einen Vogel oder lauschte einem Laut in den Bäumen und erklärte, dass dies ein „Parrot“, eine „Wood Pigeon“ oder der klackende Laut eines Opossums gewesen sei. Dass sich Darren, der eigentlich aus New Plymouth kam, so gut auskannte, kam nicht von ungefähr – er war zum Jagen hierhergekommen, kannte sich somit bestens mit diesem Wald und seinen Geräuschen aus und demonstrierte uns auch ein lustiges Gerät, das ganz professionell das Röhren verschiedener Hirsche und Wildarten imitieren konnte. Auf die Frage, ob Darren am nächsten Morgen besonders früh aufstehen würde, um auf die Jagd zu gehen, winkte er ab. „Some guys get up very early, but I´m a lazy hunter“ erklärte er. Die Sonne senkte sich über dem Wald, es wurde richtig kalt und auch Darren fröstelte. Er wünschte und einen schönen Abend und versicherte nochmal, dass wir, sollte etwas sein, nur zu rufen brauchten: „Darren, get your gun!“ Das Gespräch mit Darren hatte mich beruhigt. Ich hatte ein wunderbares, sicheres Gefühl, ihn als Nachbar an unserer Seite zu wissen und freute mich auf eine ruhige Nacht.

Selig erwachten wir am nächsten Morgen nach einer herrlich stillen und erholsamen Nacht. Es war eiskalt aber sonnig. Wir gönnten uns eine kurze, warme Dusche in unserem Camper und als wir die Nase aus der Tür steckten, war Darren wohl doch schon unterwegs… „Von wegen lazy!“ dachte ich mir gähnend und schloss meine kalten Finger um die heiße Tasse Kaffee, die Mr. Incognito frisch gemahlen und gebrüht hatte… Luxus!  Da wir keine weiteren Pläne hatten, beschlossen wir, einem von Darrens Empfehlungen zu folgen und einen schönen Campingplatz am Meer am Mount Maunganui anzusteuern. Mir gefiel zwar die Vorstellung nicht so ganz, nun wieder etwas kommerzieller und touristischer unter mehreren anderen Campern auf einem offiziellen und wahrscheinlich sehr beliebten Camping Platz zu stehen, doch ich ließ mich darauf ein. Die Aussicht zu wissen, wo wir am Abend ankommen und übernachten wollten, versprach einen entspannten Tag und weniger Blicke auf irgendwelche Camping Apps.

Blue Water Spring

Wir hatten uns für unterwegs ein paar „ungarische Brote“ gemacht (ungarisches Brot bei den Bloxis = ein Sandwich, wie sie meine ungarische Mama früher auch für meine Schulpausen gemacht hatte: mit Frischkäse und knackigen Paprikastücken – so lecker!) und wollten es uns irgendwo an einem schönen Picknickplatz gemütlich machen und dort essen. Doch ganz so leicht war keiner zu finden und langsam wurde der Hunger größer und größer. Also beschloss ich doch wieder, die App „Campermate“ nach Picknickplätzen zu befragen und klickte dabei eher versehentlich auf den Filter „Aktivitäten“, der mir plötzlich ganz in der Nähe eine Wanderung zu dem „Blue Water Spring“ anzeigte. Prima! Das sagte mir zwar nichts, aber wo ein Wanderweg war, waren meist auch Picknickplätze! Zunächst fuhren wir am richtigen Parkplatz vorbei, doch ich bestand darauf wieder zurückzufahren… doch einen Picknicktisch – außer einen direkt neben dem Parkplatz in der sengenden Sonne – bot dieser auch nicht wirklich. Durch ein kleines Holztor konnte man wohl das Gebiet betreten, in dem sich die Wanderroute befand und so beschlossen wir, unser Glück zu versuchen, ob es nicht schon nach wenigen Metern bereits ein nettes Plätzchen für ein Picknick geben würde…

Bereits nach den ersten Schritten entdeckten wir den kleinen Fluss, der sich hier idyllisch seinen Weg durch das sattgrüne Gras bahnte. Ein unwirklich schönes Bild! Es war ein perfekter Tag geworden – die Sonne schien und blauer Himmel mit weißen Wolken ließ die vor uns liegende Landschaft noch surrealer erscheinen.

Blue Water Spring – Kein Bild kann einfassen, wie unglaublich die Farben hier strahlten!
Zum Glück: Kein Picknicktisch weit und breit!

Dass wir bei einem Schatten spendenden Baum nicht tatsächlich unser Picknick machten und zurück zum Parkplatz gingen, lag nur daran, dass wir glücklicherweise unsere Picknickdecke vergessen hatten und so beschlossen, weiter nach einer Parkbank zu suchen. Was sich dann auf unserem weiteren Weg vor unseren Augen entfaltete, waren die schier unglaublichsten Bilderbuchlandschaften und -farben, die wir uns nur erträumen hätten können! Sattgrüne, perfekt gerundete Hügel bildeten die Kulisse für den Fluss, der so klar zwischen den saftigen Grashalmen dahinfloss, dass man mit bloßem Auge bis auf den Grund blicken konnte. Kleine Schwärme hübscher Vögel schwirrten durch die Luft, Palmen spendeten Schatten und nach jeder Biegung des Flusses schien dieser in noch unfassbareren und noch klareren Blau- und Grüntönen zu leuchten. Wir waren wirklich sprachlos – mit dieser umwerfenden Schönheit hatten wir auf der Suche nach einem Plätzchen für eine kleine Lunchpause überhaupt nicht gerechnet!

Selbst im Schatten des Waldes leuchtete der Fluss noch magisch…
Selten habe ich – trotz Pflanzen – so klares Wasser gesehen!

Spontan beschlossen wir, auch nach unserem Picknick nicht umzudrehen, sondern dem Wanderweg bis zur Quelle des „Blue Water Springs“ zu folgen – die beste Entscheidung! Bei jedem Schritt präsentierte sich die Landschaft noch perfekter und atemberaubender, grüne Algen schwangen sanft mit den Bewegungen des Stroms und alles wirkte bis ins Detail perfekt inszeniert. Selbst die Kühe, die auf der einen Flußseite grasten, wirkten zusammen mit den Palmen auf der anderen Seite wie ein gut durchdachtes Motiv. Wir waren beeindruckt und sprachlos und vor allem unendlich dankbar, dass wir ganz zufällig auf dieses Juwel neuseeländischer Landschaft gestoßen waren. Wirklich eine absolute Empfehlung!

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